Analyse Wilkommen und Abschied – Johann Wolfgang von Goethe
Das 1789 veröffentlichte Gedicht „Willkommen und Abschied“ wurde vermutlich um 1771 von Johann Wolfgang Goethe in seiner Straßburger Zeit geschrieben und ist eins der „Sesenheimer Lieder“ Goethes. Zur damaligen Zeit empfand der Autor eine starke Zuneigung zur dort ansässigen Pfarrersfamilie Brion, wobei es ihm vor allem die Tochter Friederike besonders angetan hatte. Als er diese verlassen musste, da er sich noch nicht binden wollte, löste dies in ihm starke Gefühle der Trauer und der Sehnsucht aus, welche einen großen Einfluss auf das vorliegende Gedicht haben. Das mehrmals in veränderter Form erschienene lyrische Werk ist in die zeitlich in die Epoche des Sturm und Drang einzuordnen und behandelt den Ritt eines verliebten jungen Mannes zu seiner Geliebten und den anschließenden Abschied. Obwohl die auftretenden Gefahren der Nacht das lyrische Ich verängstigen, hält es nicht inne und erreicht sein ersehntes Ziel. Die entstehende Freude ist allerdings nicht von langer Dauer, weil der Liebende nach der Nacht wieder Abschied nehmen muss und schließlich davon reitet.
Äußerlich besteht das Gedicht Goethes aus 4 Strophen mit jeweils 8 Versen, welche einen durchgehend 4-hebigen Jambus aufweisen, der abwechselnd männliche und weibliche Kadenzen besitzt. Außerdem ist auch das Reimschema mit einem beständigen Kreuzreim sehr einfach und unkompliziert gehalten. Durch all diese äußeren Merkmale scheint das Werk zuerst eine eher eintönige und unaufregende Atmosphäre zu vermitteln. Wenn man sich aber den Inhalt der Strophen genauer ansieht, stellt man schnell fest, dass mehr in dem Gedicht steckt als bloße Formtreue und Harmonie.
Allein die Betrachtung des Titels zeigt bereits einen Kontrast, da Willkommen und Abschied normalerweise nicht zusammengehören.
Und auch auf inhaltlicher Ebene lässt sich eine eindeutige konträre Entwicklung feststellen. Während der erste Teil von dem gefährlichen Ritt des Liebenden durch den Wald mit all seinen Gefahren handelt, beschreibt der zweite Teil das Zusammentreffen und den Abschied des lyrischen Ichs und seiner Geliebten. Die Dunkelheit der Nacht steht dabei im starken Gegensatz zu der heiteren Liebesbegegnung der beiden Figuren. Dies lässt sich auch auf stilistischer Ebene in vielerlei Hinsicht wieder finden.
So beschreibt Goethe in den ersten beiden Strophen den Ritt durch die Nacht mit vielen Naturmetaphern, die die Angst des lyrischen Ichs unterstreichen. Beispiele dafür sind der Mond, der „kläglich aus dem Duft hervor(sieht)“ (V. 10), die „Finsternis (…) mit hundert schwarzen Augen“ (V.7 f.), sowie die schauerlichen Winde und die Nacht, die „tausend Ungeheuer“ (V.13) schafft. Außerdem kann man die negative Stimmung an der dunkel gehaltenen Farbgebung an Ausdrücken wie „Nacht“ (V.4), „Finsternis“ (V. 7) und „schwarzen Augen“ (V. 8 ) festmachen. Auch bezogen auf die negativen Konnotationen von „ein[em] aufgetürmte[n] Riesen“ (V.6), „Ungeheuer[n]“ (V.13) und dem „Nebelkleid“ (V.5) lässt sich dies erkennen.
Aber schon zum Ende der zweiten Strophe lässt sich ein Stimmungswandel feststellen. So zeigen die Alliteration „frisch und fröhlich“ (V. 14) und die Anapher „In meinem Herzen […]
In meinem Herzen“ (V. 15 f.) die Vorfreude des lyrischen Ichs auf die Begegnung mit seiner Geliebten. Des Weiteren symbolisieren die Metaphern Feuer und Glut die inbrünstige Liebe und die stark ausgeprägte Sehnsucht des Reiters. Diese drei Verse stellen das Verbindungsglied zwischen den 2 Teilen des Gedichtes dar, weil sie den Leser auf eine Änderung vorbereiten, die in der nächsten Strophe durch die Ankunft auf ihn wartet.
Beim Vergleich dieser beiden Teile fallen schnell zahlreiche Gegensätze auf. Beispielsweise ändert sich die Perspektive. Die zuvor noch unpersönliche Beschreibung der Nacht wechselt zu einem auf eine Person fixiertes „Dich“ (V.17). Auch die Metaphorik ändert sich deutlich und ist mit einem „rosenfarb[enen] Frühlingswetter“ (V.21), einem „süßen Blick“ (V. 18) und „milde[r] Freude“ (V. 17) wesentlich positiver. Dies lässt diesen Abschnitt so wirken als sei das lyrische Ich geblendet von der Schönheit seiner Geliebten. Die „Finsternis aus dem Gesträuche“ (V. 7) scheint für ihn beim Anblick seiner Geliebten wie ein „Frühlingswetter“(V. 21) der Zärtlichkeit. Dies spiegelt auch die Farbgebung, die vom Schwarzen über das „Frühlingswetter“ (V. 21) und die „Morgensonne“ (V.25) in eine rosa bis rote Richtung geht, also die Liebe und die Freude symbolisiert.
Die genannte bedingungslose Liebe des Liebenden wird durch die Metapher „jeder Atemzug für dich“ (V.20) klar gestellt, da dies bedeutet, dass ein Leben ohne sie, also das Atmen, nicht mehr vorstellbar ist. Auch der einen Kontrast enthaltene Parallelismus „Ich hofft es, ich verdient es nicht“ (V. 24) zeigt diesen Aspekt auf, da er das Glück des lyrischen Ichs über die unverhofft gute Situation darstellt. Zusammenfassend stellt der 3. Abschnitt die Erfüllung der Träume für den jungen Mann dar. Wie man aber im letzten Abschnitt sieht, ist diese nicht von langer Dauer, da der Abschied naht. Dies zeigt sich anhand der konträren Darstellung dieser Strophe. So liegt zum Beispiel im Herzen Wonne, während in den Augen der Schmerz ist (vgl. V. 27 f.). Auch der einzige Tempuswechsel des gesamten Gedichtes in Vers 26 macht den massiven Unterschied zum Rest des Textes und die wichtige Rolle für das Befinden des lyrischen Ichs deutlich. Auch die allgemeine Stimmung leidet unter diesem Aspekt. Der vorher noch so fröhliche Mann geht und lässt seine Geliebte mit „nassem Blick“ (V. 30), also weinend und zur Erde sehend (V.29) zurück. Trotz dieser zuerst traurig klingenden Botschaft schließt Goethe hier einen Lobpreis und einen Dank an die Götter an. Es wird ihnen dafür gedankt, dass man lieben kann, obwohl die Situation der Trennung überwiegen sollte.
All die oben genannten Gegensätze kommen vor allem durch die Einfachheit der äußeren Bauform von Goethes „Willkommen und Abschied“ besonders stark zur Geltung, da der Blick des Lesers von der Form hin zu inhaltlichen Aspekten gelenkt wird. Dies ist vor allem für die Epoche des Sturm und Drang typisch, da hier die Gefühle sehr stark im Mittelpunkt stehen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Aussage Goethe in diesem Gedicht ist, dass es nur noch wenige Menschen gibt, die zu bedingungsloser Liebe fähig sind, aber es sich lohnt, sie anzustreben, da man mit ihrer Hilfe selbst die dunkelsten Nächte überstehen und glücklich werden kann.
Danke für diesen Beitrag, er hat mir bei der Vorbereitung meiner Deutscharbeit sehr geholfen 🙂
Lieben Gruss
Sophie
Mir auch danke
Hallo,
vielen Dank für diesen guten Beitrag zum Thema Johann Wolfgang von Goethe. Ich fand es interessant wie Du den Artikel gegliedert und aufgebaut hast. Ich habe in den letzten Tagen auch eine kleine Biografie über Goethe verfasst und auf meinem Blog veröffentlicht.
Liebe Grüße, Stefan
Eine gut gelungene Interpretation, die ich meinen Schülern (9. Klasse Gymnasium) als Musterinterpretation ausgeteilt habe. Vielen Dank!
Danke für die Interpretaion sie hilft mir sehr beim Vorbereiten für eine Deutscharbeit. Sie wurde bei uns als Musterinterpretation ausgeteilt!
Hallo,
kann man das Gedicht nicht auch erotisch deuten? Ich denke die „rosenfarbene Morgenröte“, die das liebliche Gesicht umgibt, ist IMO durchaus mit einem weiblichen Höhepunkt und die „Zärtlichkeit für mich“ mit dem Höhepunkt des lyrischen Ichs assoziierbar.
Denn: Was macht wohl ein Liebespaar diesen Alters in einer Nacht, wo er ihr mit Feuer in den Adern und Gut im Herzen entgegen reitet? eine Nacht lang Händchen halten? Und am Ende das „Und Lieben, welch ein Glück!“ lässt sich IMO auch zwanglos mit dem Glücksgefühl beim gemeinsamen Sex deuten.
Mir kommt die Deutung etwas zu „harmlos“ vor, ich bin aber kein Sprachwissenschaftler. Das ist also nur eine persönliche Meinung und kann falsch sein. Vermutlich ist das aber eine Meinung, die es Wert ist, diskutiert zu werden.
Danke sehr!
Es hat mit sehr sehr geholfen!
Hat mir sehr geholfen bei meiner Hausarbeit über das Gedicht. Danke!