Erfahrungsbericht: Der erste Tag an der Uni
Passend zum anstehenden Start des Wintersemesters haben wir heute einen sehr persönlichen Erfahrungsbericht für euch. Der Buchautor Christian Schwarz berichtet in diesem Gastartikel über seine Erfahrungen, die er zum Start des Studiums gemacht hat und lässt uns gemeinsam einen Eindruck vom ersten Tag an der Uni erleben. Also lest einmal rein und falls euch gefällt, was ihr lest, dann ist vielleicht auch das Buch von Christian etwas für euch. Viel Spaß mit diesem Erfahrungsbericht zum ersten Tag an der Uni.
Warum das Studium mein Neuanfang war
Ich bin ein eher schüchterner Mensch und hatte in der Schule eigentlich nie viele Freunde. Schon lange vor dem Abi war mir deshalb klar, dass ich eine Art Neuanfang brauchen würde. Irgendwo in einer anderen Stadt, wo mich niemand kennt. Anstatt nach irgendwelchen Rankingergebnissen, habe ich mir meine Uni eher nach der Entfernung zum Heimatort ausgesucht. Zu nah sollte es nicht sein, ich wollte auf jeden Fall irgendwo neu beginnen und nicht pendeln um dann am Ende doch im alten Umfeld festzustecken. Zu weit weg sollte es aber natürlich auch nicht sein, immerhin muss die Entfernung ja noch mit normalem Zeitaufwand zu bewältigen sein, wenn man die Familie besuchen möchte.
Die Wahl fiel dann auf Regensburg. Etwa 300 Kilometer von zuhause entfernt. Nicht so groß, dass mich die Stadt verschlucken würde, aber doch groß genug um Neues zu erleben, neue Freunde zu finden, vielleicht auch ein wenig selbstständiger zu werden. Abgesehen von diesem Gedankengang hatte ich keinerlei Beziehung zu Regensburg, war nie dort gewesen und kannte dort auch niemand.
Zum ersten Mal in der Stadt war ich dann während der Immatrikulation, allerdings war das eher ein Kurzbesuch: vom Bahnhof zur Uni, die Studentenkanzlei suchen, einschreiben, zurück zum Bahnhof und wieder ab nach Hause.
Nervosität vor dem ersten Tag an der Uni
Ich kam einen Tag vor dem Beginn des Studiums an, zu diesem Zeitpunkt musste ich noch im Hotel übernachten, weil die Wohnung, die ich mit meinem Vater in der Zwischenzeit gefunden hatte, erst in ein paar Tagen frei werden würde. Um mir die Zeit ein wenig zu vertreiben und auch um am ersten Tag keine Fehler zu machen, beschloss ich abends einen Spaziergang zum Campus zu unternehmen. In meinen Unterlagen stand als Treffpunkt für den ersten Tag Audimax und ich wollte mir anschauen wie ich dort am besten hinkomme.
Grund dafür war sicher auch die Tatsache, dass ich bei der Immatrikulation eine ganze Weile über den Campus geirrt bin, bevor ich endlich einen Wegweiser fand, an dem ich mich orientieren konnte. Dieses Mal verlief aber alles ohne Schwierigkeiten.
Zurück im Hotel machte sich dann langsam Nervosität breit. In den Tagen und Wochen vorher hatte ich eigentlich immer etwas zu tun mit Umzug planen, Unterlagen zusammensuchen etc. Aber jetzt lag ich in einem Hotelbett, weit weg von zuhause und allen Menschen, die ich kannte. In diesem Moment habe ich mich sehr allein gefühlt. Andererseits war da auch eine gewisse Neugier auf den morgigen Tag, ich war gespannt wie alles laufen würde, war aufgeregt wie das Studium denn sein würde.
Allein vor dem Audimax
Am ersten Tag war ich natürlich viel zu früh wach, habe mich viel zu früh auf den Weg zum Audimax gemacht (obwohl ich ja jetzt genau wusste wo ich hin musste) und musste dementsprechend noch eine Weile warten bis es endlich los ging. Und das war dann der Moment indem ich meine Entscheidung zum ersten Mal wirklich angezweifelt habe.
Vor dem Audimax standen schon einige andere Studenten. Viele davon in kleinen Gruppen, in lebhafte Unterhaltungen vertieft. Es sah aus, als hätten die meisten schon Anschluss gefunden, als wären die Grüppchen Claims schon abgesteckt. Natürlich standen auch ein paar Leute ebenso einsam herum wie ich. Aber schüchtern wie ich war, konnte ich mich nicht dazu aufraffen einen von ihnen anzusprechen.
In dieser Situation wurde mir bewusst, dass ich seither immer davon ausgegangen war, dass mein Neuanfang automatisch positiv verlaufen würde. Neue Stadt, neue Freunde, neues Leben, irgendwie würde sich schon alles regeln. Aber jetzt, allein vor dem Audimax, kamen die Zweifel und mit ihnen die Angst. Was wenn ich niemanden kennen lernen würde? In der Heimat habe ich zwar nicht viele Freunde aber dafür meine Familie, hier aber kenne ich doch gar keinen. Vielleicht wird nicht alles besser, sondern schlimmer? Je mehr ich nachdachte umso deprimierter wurde ich. Ich war mir schon fast sicher mein Studium völlig alleine bestreiten zu müssen…
Die rettende Ersti Rallye
Zum Glück ging in diesem Moment das eigentliche Programm des ersten Tages los. Die Türen zum Audimax wurden geöffnet, Heerscharen junger Studenten ergossen sich in den riesigen Saal. Beim Eintreten erhielt jeder eine große Tüte, in der ein paar Goodies und Infomaterial enthalten waren. Nichts Besonderes aber zumindest eine Ablenkung von der ganzen Negativität.
Das offizielle Programm sah an dieser Stelle eine Rede des Dekans der Fakultät vor. Wahrscheinlich entspricht die Rede so ziemlich genau jeder anderen, die jedes Semester an jeder Uni vor jeden neuen Studenten gehalten wird. Irgendetwas darüber wie toll die Uni ist, für die man sich entschieden hat, verbunden mit den rosigen Berufsaussichten des Studiengangs. Hauptsächlich also Selbstbeweihräucherung.
Anschließend übernahm dann jemand von der Fachschaft. Zuerst gab es ein paar allgemeine Infos zum Ablauf der nächsten Tage, organisatorisches und Hinweise auf die kommenden Veranstaltungen und Termine. Dann der nächste Programmpunkt: im Anschluss an die Begrüßungsveranstaltung sollte es eine Rallye durch die Uni geben um alle wichtigen Gebäude und Institutionen kennen zu lernen. Zu diesem Zweck sollten wir uns zu Gruppen zusammenfinden. Um die Gruppenbildung zu erleichtern und wohl auch um die Leute in wenig durchzumischen, hatte jeder auf seiner am Eingang erhaltenen Tüte einen Aufkleber mit einem Buchstaben und einer Farbe. Nun galt es Menschen zu finden die dieselbe Kombination erhalten hatten.
Ihr könnt euch den Andrang vorstellen, wenn mehrere hundert Studenten wie aufgescheuchte Hühner durch das Foyer laufen und versuchen passende Gruppenmitglieder zu finden. Sicher gab es Glückstreffer, aber im Großen und Ganzen musste man schon ein wenig suchen, weil die Gruppen bewusst klein gehalten waren. Aber schließlich sprach mich ein Mädel an, das dieselbe Aufkleberkombination wie ich auf ihrer Tüte hatte.
Wir stellten uns vor und weil wir keine weiteren Gruppenmitglieder finden konnten, beschlossen wir zu zweit loszuziehen. Die Stationen der Rallye konnten in beliebiger Reihenfolge abgearbeitet werden, sodass sich die Menschenmassen einigermaßen verteilten. In der Bibliothek gab es Infomaterial zum Thema „Bücher ausleihen“, bei der Mensa erhielten wir unsere Mensakarte, die Fachschaft verteilte Kondome und Schnapsfläschchen vor ihrem Zimmer. So waren wir dann den ganzen Vormittag beschäftigt und lernten ganz nebenbei auch einander kennen.
Folgerichtig wurden am Ende des Tages Nummern getauscht und wir verabredeten uns direkt für den nächsten Tag. Ich glaube ich war selten so erleichtert wie am Ende dieses Tages. Die ganze Anspannung, der Druck Anschluss finden zu müssen um nicht allein zu enden, war von mir abgefallen. Irgendwie wusste ich nun, dass es gut gehen würde. Dieses Mädel war damals der erste Mensch, den ich in Regensburg wirklich kennen lernte und bis zum Ende des Studiums haben wir eigentlich mehr oder weniger alles gemeinsam gemacht. Und obwohl wir mittlerweile in verschiedenen Städten leben, schreiben wir uns noch regelmäßig und treffen uns auch hin und wieder.
Im Verlauf der ersten Woche stießen dann noch weitere Leute zu unserer kleinen Gruppe. Man sollte nie vergessen, dass am Anfang viele allein sind. Da reicht schon die Frage nach dem Weg zum nächsten Hörsaal um Anschluss zu finden. Auch bei anderen Gelegenheiten konnte ich noch einige Leute kennen lernen (dazu später mehr), sodass ich in den ersten beiden Wochen wahrscheinlich mehr Kontakte geknüpft habe und auf mehr Partys war als in der gesamten Schulzeit.
Der Rest des Tages
Die Ersti Rallye war an jenem ersten Tag der letzte Programmpunkt. Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, ob wir wirklich alle Stationen besucht haben. Irgendwann gegen Mittag haben wir uns jedenfalls verabschiedet und es ging nach Hause. Was für mich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch ein Hotelzimmer war.
Vielleicht klingt es kitschig aber am Ende dieses Tages war ich glücklich. Ich hatte wieder ein positives Gefühl bezüglich meines Neuanfangs, hatte erlebt, dass es auch für einen schüchternen Kerl möglich ist Anschluss zu finden. Komme was wolle, von nun an würde ich es zumindest nicht allein durchstehen müssen.
Weitere Aktivitäten in der ersten Uniwoche
Meine größte Sorge vor dem Beginn des Studiums war eigentlich, dass es mir schwer fallen würde Freunde zu finden. Ich bin eben nicht der offenherzige Typ, der sofort wildfremde Menschen anquatscht und ihnen seine Lebensgeschichte erzählt. Allerdings haben sich diese Ängste in keiner Weise bewahrheitet. Im Gegenteil, die Uni hat sehr viel dafür getan, dass man andere Leute kennen lernen konnte.
Neben der Ersti Rallye, die einen mit völlig fremden zusammengewürfelt hat, gab es noch eine Menge weiterer Angebote. Unter anderem eine Stadtführung, eine Kneipentour, ein Ersti Wochenende der Fachschaft. Darüber hinaus kam man auch im Mathe Vorkurs oder in den ersten Vorlesungen immer mal wieder mit Leuten ins Gespräch. Nach wenigen Tagen hatte ich dann auch schon eine ganze Menge neue Leute kennen gelernt.
Wie das so ist: manche Kontakte verliefen auch wieder im Sand, andere wurden zu wirklich engen Freunden. Aber ich war während des gesamten Studiums nie wirklich alleine. Es gab immer Menschen, mit denen ich in der Vorlesung zusammensaß, mit denen man abends etwas unternehmen konnte, mit denen man einfach eine gute Zeit hatte. Von daher bereue ich die Entscheidung, für das Studium einen Neuanfang gewagt zu haben, keine Sekunde lang. Das, was ich mir vorgenommen habe, hat sich erfüllt. Ich bin sicher immer noch ein eher ruhigerer Typ, aber ich habe viele neue Freunde gefunden, viel erlebt und hatte einfach eine tolle Zeit.
Falls du also in einer ähnlichen Situation bist wie ich damals, kann ich dir nur raten an einem anderen Ort zu studieren. Im Studium werden die Karten noch einmal neu gemischt, neue Freundschaften entstehen (manchmal auch mehr ? ), man macht neue Erfahrungen, entdeckt vielleicht sogar ganz neue Seiten an sich selbst. Ich bin zumindest fest davon überzeugt, dass sich das Studium positiv auf meine Persönlichkeit ausgewirkt hat.
Alles was ich gerne vorher gewusst hätte
Auch wenn das Studium insgesamt betrachtet eine super Erfahrung war, gab es natürlich auch ein paar Gelegenheiten, bei denen ich auf die Nase gefallen bin. Im ersten Semester habe ich beispielsweise den Unterschied bezüglich Stoffmenge und Schwierigkeit im Vergleich zur Schule ziemlich unterschätzt. Mit dem Ergebnis, dass ich dann durch ein paar Prüfungen gerasselt bin.
Aus diesem Grund habe ich beschlossen ein Buch über das Studium und übers Studieren zu schreiben. Es sollte das Buch werden, das ich vor Beginn des ersten Semesters gerne gelesen hätte. Ein Buch, das einem einerseits die Nervosität vor all dem Neuen nimmt und einem andererseits auch hilft typische Fehler zu vermeiden. Und das darüber hinaus nicht trocken und unverdaulich daherkommt, sondern auch mit der einen oder anderen Anekdote aus dem Studentenleben aufwarten kann.