Der Gott der Stadt von Georg Heym – Analyse & Hintergründe

Der Gott der Stadt von Georg Heym ist ein beeindruckendes Werk der expressionistischen Lyrik, das uns in eine düstere und beklemmende Welt führt. In diesem Artikel werden wir uns eingehend mit diesem bedeutenden Gedicht beschäftigen. Dabei werden wir nicht nur die Hintergründe und den Inhalt des Werks betrachten, sondern auch einen Blick auf die Biographie des Autors Georg Heym werfen. Darüber hinaus werden wir uns der Herausforderung stellen, das Gedicht zu analysieren und seine tiefere Bedeutung zu erfassen. Tauchen wir also ein in die düstere Atmosphäre des Gedichts und entdecken wir die faszinierende Welt des „Gott der Stadt“.

Hintergründe zum Werk

In „Der Gott der Stadt“ spiegelt sich Heyms tiefe Ablehnung gegenüber der Großstadt wider, die er als bedrohlich und entfremdend empfand. Das Gedicht stellt eine kraftvolle Kritik an der Urbanisierung und Industrialisierung dar, die das natürliche Gleichgewicht störten und den Menschen in eine anonyme Masse verwandelten. Heym beschreibt die Stadt als einen Ort des Wahnsinns, der von Lärm, Hektik und einem bedrückenden Gefühl der Einsamkeit geprägt ist. Die moderne Zivilisation wird in dem Gedicht als entfesselte, zerstörerische Kraft dargestellt, die die Natur und das individuelle Wohl der Menschen bedroht. Heym und andere Expressionisten setzten sich mit ihrer Lyrik intensiv mit den destruktiven Auswirkungen der Großstädte auseinander und drückten ihre Empörung und Abscheu gegenüber der urbanen Realität aus. „Der Gott der Stadt“ ist somit ein herausragendes Beispiel für Heyms kritische und provokante Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Entwicklungen seiner Zeit.

Der Gott der Stadt (1910)

Es folgt das Gedicht in seiner Reinform, wie es Georg Heym 1910 geschrieben und veröffentlicht hat:

1. Auf einem Häuserblocke sitzt er breit.
2. Die Winde lagern schwarz um seine Stirn.
3. Er schaut voll Wut, wo fern in Einsamkeit
4. Die letzten Häuser in das Land verirrn.

5. Vom Abend glänzt der rote Bauch dem Baal,
6. Die großen Städte knien um ihn her.
7. Der Kirchenglocken ungeheure Zahl
8. Wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.

9. Wie Korybanten*- Tanz dröhnt die Musik
10. Der Millionen durch die Straßen laut.
11. Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik
12. Ziehn auf zu ihm, wie Duft von Weihrauch blaut.

13. Das Wetter schwelt in seinen Augenbrauen.
14. Der dunkle Abend wird in Nacht betäubt.
15. Die Stürme flattern, die wie Geier schauen
16. Von seinem Haupthaar, das im Zorne sträubt.

17. Er streckt ins Dunkel seine Fleischerfaust.
18. Er schüttelt sie. Ein Meer von Feuer jagt
19. Durch eine Straße. Und der Glutqualm braust
20. Und frisst sie auf, bis spät der Morgen tagt.

Georg Heym (1887-1912)

1887 ist Georg Heym  im schlesischen Hirschberg am 30. Oktober geboren als Sohn eines Militäranwalts weshalb er sehr oft umziehen musste.

1899 begann Heym seine ersten Gedichte zu schreiben.

1905 wechselt Heym das Gymnasium aufgrund seiner Noten und eines Schülerstreichs.

1908 veröffentlicht Heym zusammen mit seinem Freund Balcke die Zeitschrift „Kreißende Sonne“ worin auch seine ersten Gedichte enthalten sind,

1907 machte Heym Abitur in Neuruppin und begann daraufhin auf Wunsch seines Vaters ein Jurastudium in Berlin und Jena.

1910 trat er dem expressionistischen „Neuen Club“ in Berlin bei, in dem er viele Freunde fand, die ihm halfen seine eigene Stilrichtung zu finden. In dieser Zeit begann er auch mit dem Thema Großstadt zu arbeiten, was zum expressionistischen Stil gehört.

1911 besteht er seine erste Staatsprüfung. Heym wird von seinem Vorbereitungsdienst entlassen weil er eine wichtige Bauakte verbrannt hat. Er möchte eine neue Karriere anfangen entweder als Offizier oder als Diplomat, wofür er sich für ein Chinesischstudium einschreibt und Orientalische Seminare besucht und sich für Offiziersausbildungen bewirbt. Im Sommer verliebt sich Heym in Hildegard Krohn, der er auch mehrere Gedichte widmet und sein erster Gedichtband „Der ewige Tag“ erscheint, welches als das erste bedeutende Werk im Expressionismus gilt.

1912 ertrinken sowohl Georg Heym als auch sein Freund Ernst Balcke beim Schlittschuhfahren und post mortem veröffentlichen seine Freunde aus dem „Neuen Club“  einen weiteren Gedichtband „Umbra vitae“ von Georg Heym, in dem sowohl „Der Krieg“ als auch „Der Gott der Stadt“ enthalten sind, die die berühmtesten Gedichte von ihm waren.

Analyse vom Gedicht „Der Gott der Stadt“

Einleitung: Das Gedicht „Der Gott der Stadt“ von Georg Heym aus dem Jahre 1910 ist ein Gedicht aus der Epoche des Expressionismus. In diesem Gedicht geht es um den Gott Baal, der vom Dach eines Häuserblocks aus auf eine Stadt guckt und durch diese Stadt schließlich Feuer schießen lässt.

Inhalt: In der ersten Strophe geht es um den erst in der zweiten Strophe benannten Gott Baal, der auf einem Häuserblock sitzt und voll Wut in die Ferne schaut.

In der zweiten Strophe wird die Abendröte beschrieben, die auf Baals Bauch glänzt und die Städte, die vor ihm niederknien sowie eine große Masse an Kirchenglocken.

In der dritten Strophe werden die Menschen dargestellt, die zu Millionen Lärm machen und die Fabriken, von denen der Qualm zu Baal aufzieht.

In der vierten Strophe wird der Abend zur Nacht und die Apokalypse von Baal wird vorbereitet durch die Naturgewalten, die wie Geier zugucken.

In der fünften und letzten Strophe schlägt Baal zu mit seiner „Fleischerfaust und setzt eine Straße in Flammen und die Menschen werden von dem entstehenden Qualm getötet bis zum nächsten Morgen hin.

Form:

Das Gedicht besteht aus fünf Strophen mit jeweils 4 Versen also insgesamt 20 Versen. Es zieht sich durch alle Strophen ein Kreuzreim mit hauptsächlich männlichen Kadenzen hindurch. Außerdem ist ein durchgehender fünfhebiger Jambus vorhanden. Die Form ist im Gegensatz zum Inhalt sehr strikt gegliedert und sehr gleichmäßig, was typisch für den Expressionismus ist. Das gleichmäßig gegliederte Gedicht steht zum eher ungeordneten und wüsten Inhalt im Kontrast.

Sprachliche Analyse und Interpretation:

Das Gedicht „Der Gott der Stadt“ von Georg Heym ist mit vielen  für den Expressionismus typischen Stilmitteln ausgeschmückt um die negative Haltung gegenüber Großstädten zu verdeutlichen.

Zuerst einmal die Farben die Heym benutzt um Stimmungen zu erzeugen.  Er benutzt Schwarz, und Rot um ein düsteres und zerstörerisches Bild entstehen zu lassen, das der Unterwelt gleicht. Beispiele dafür sind „Die Winde lagern schwarz“ (V.2),  „der rote Bauch“ (V.5). Das Bild der Hölle oder der Unterwelt wird in diesem Gedicht ganz durchzogen durch die Farben aber auch durch Assoziationen mit anderen Wortfeldern wie „Rauch“ und „Feuer“ oder „Glutqualm“  und „Meer von Feuer“.

Die Vergleiche in dem Gedicht haben auch eine nähere Bedeutung. „Die Stürme flattern, die wie  Geier schauen“ (V.15) Der Geier ist auch als Symbol zu sehen für  den Tod wodurch der schlechte Eindruck von der Großstadt verstärkt wird.

Die Hyperbeln, die Heym benutzt sind dafür da, dass die negativen Aspekte der Stadt noch extremer wirken. Zum Beispiel in der dritten Strophe in der „Millionen“(V.10) Lärm erzeugen der „laut“ (V.10) durch die Straßen „dröhnt“ (V.9) oder die „ungeheure“ (V.7) Zahl der Kirchenglocken, die durch eine Metapher  „Meer“(V.8) noch stärker hervorgehoben wird.

Er benutzt auch Metaphern wie „der schwarze Türme Meer“ (V.8), um die gewaltige Ausdehnung der Stadt zu verdeutlichen. Die Stadt wird auch durch Personifikationen als eigenständig denkendes Wesen dargestellt. „Städte knien um ihn her“ (V6) und „Die letzten Häuser in das Land verirren“ (V.4) verleihen der Stadt beinahe menschliche Züge. Man kann auch eine aggressive Wirkung der Stadt erkennen in Vers 8 und 9 „Der Kirchenglocken ungeheure Zahl – wogt auf zu ihm aus schwarzer Türme Meer.“ Ähnlich wie „Die Wolken der Fabrik ziehen auf zu ihm“(V.11f). Aus den genannten Beispielen könnte man schließen, dass die Stadt die Absicht hat, sich noch weiter auszubreiten und die Natur auch weiter zu verdrängen.

Die ebenso typischen Personifikationen wie zum Beispiel „die großen Städte knien…“(V.6) und „Die Winde lagern schwarz um seine Stirn“ (V.2) verdeutlichen  auch die Größe Baals und seine Macht, wobei Baal an sich eine eher untypische Figur für Expressionisten ist, da sie alle der Meinung waren, dass keine Überwesen existieren, die wohlwollend dem Menschen gegenüber sind. Da Baal aber ein Abgott ist, der nur Unheil anrichten will, das in diesem Gedicht auch sehr deutlich wird durch beschreibende Adjektive wie „Wut“ (V.3) und „Zorn“(V.16), ist es nachvollziehbar. Baal steht in diesem Fall für die negative Auswirkung der Großstadt auf die Natur. In dem Gedicht sind auch mehrere Anspielungen auf die Christliche Kirche wie in Vers 8 „Die Kirchenglocken ungeheure Zahl“ oder Vers 12 „wie Duft von Weihrauch zieht“  die aber eine eher ironische Wirkung zeigen, wenn man im Gegensatz dazu Baal sieht, der im Christentum einen Dämon darstellt.

Alles in allem kann man sagen, dass Georg Heym mit diesem Gedicht ein Bild von der Großstadt erzeugt hat, das von Lärm und Unruhe geprägt ist und dass die Stadt als solche für ihn ein sehr düsterer Ort ist, an dem Tag für Tag immer wieder dasselbe geschieht und die Menschen dort kein richtiges Leben mehr führen können (Zivilisationskritik). Außerdem kann man seine Haltung zu der Großstadt erkennen, die eine sehr negative ist. Er beschreibt die „Vergewaltigung der Natur“ also dass die Natur die durch den Menschen stark beschädigt wird was er sehr gut durch verschiedenste Stilmittel zum Ausdruck bringt.

Quellenverzeichnis

Abschließend folgt noch das Quellenverzeichnis für die Analyse des Werks und den biographischen Teil.

Analyse:

  • http://lyrik.antikoerperchen.de/georg-heym-der-gott-der-stadt,textbearbeitung,153.html
  • http://lyrik.antikoerperchen.de/georg-heym-der-gott-der-stadt,textbearbeitung,60.html
  • http://lyrik.antikoerperchen.de/georg-heym-der-gott-der-stadt,textbearbeitung,126.html
  • http://lyrik.antikoerperchen.de/georg-heym-der-gott-der-stadt,textbearbeitung,100.html

Biografie:

  • http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/HeymGeorg/

1 Kommentar

  1. Noimus sagt:

    Eine wirklich gelungene Analyse. Hat mir sehr geholfen das Gedicht komplett zu verstehen.

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